Einstürzende Neubauten

Einstürzende Neubauten

Sonntag, Oktober 6, 2024

Gestern habe ich mich wieder mal aus der Komfortzone der elektronisch arrangierten Kunstdarbietungen herausgewagt um mein Gehör einer unter meinen Freunden eher etwas kontrovers diskutierten Band zu leihen.

Nun zugegeben, Einstürzende Neubauten ist nun nicht eine Band, die ich so als Berieselung im Hintergrund des musikalischen Alltags ertrage. Im Gegenteil, die Musik der Band ist für mich fordernd, dazu muss ich mich doch hinsetzen und vor allem in die Musik hineinversetzen, dafür ist es aber jeweils auch wieder ein Erlebnis und es triggert Punkte in meinem Gehirn und meiner Seele, an welche geglättete Musik nicht annähernd hinkommt.
Nun muss ich aber doch auch zugeben, dass ich die Band über sehr lange Zeit ad acta gelegt habe und so eigentlich auch nicht mehr auf dem Radar hatte.
Dies änderte sich aber im Februar dieses Jahres, als mir Facebook sei Dank, die gestrige Veranstaltung vorgeschlagen wurde.
Vor Jahrzehnten schon war eigentlich der Entschluss gefasst, die Neubauten einmal live zu erleben, was leider bisher nicht erfolgte. Doch diesmal sollte das anders sein, umgehend habe ich mir ein Ticket gesichert, um mir die Show nicht entgehen zu lassen.
Auch habe ich mich in der Zeit bis zum Konzert auch wieder etwas vermehrt der Band gewidmet und insbesondere auch mal in das zwischenzeitlich verpasste reingehört, wobei mir da nicht alles gefallen mochte und doch war auf den meisten Veröffentlichungen die ein oder andere Perle drauf und so war ich doch sehr gespannt was mich da erwartet, zumal das Volkshaus meiner Meinung nach die besten akustischen Voraussetzungen bietet. Die PA in diesem Gefilde sucht meilenweit seinesgleichen und die Architektur trägt ebenfalls das ihre bei, so das bisweilen jedes besuchte Konzert in diesen Räumlichkeiten ein Ohrenschmaus sondergleichen war.

In Zwischenzeit habe ich durch Tom von die Stille auch eine sehr angenehme Reisebegleitung gefunden, so dass ich den Weg nach Zürich nicht alleine antreten musste und nebenbei konnten wir so unser Klimagewissen, wenn denn vorhanden, beruhigen.

In Zürich angekommen, nach kurzem Anstehen für den Einlass, in Mitten von etwas gealtertem Publikum, wobei ich da wohl zum guten Durchschnitt gehörte, haben wir uns knapp zehn Reihen vor der Bühne positioniert, was normalerweise für meinen Geschmack etwas weit vorne ist, da ich grossen Wert auf die Akustik lege und so eigentlich einen Platz unmittelbar vor dem Mischpult bevorzuge. Aber wie schon erwähnt ist die PA im Volkshaus derart gut eingemessen, dass man diesen akustischen Vorteil in dieser Räumlichkeit kaum wahrnimmt und man so ruhig etwas näher zur Bühne treten kann um dann auch optisch mehr mitzukriegen. Ein weiterer Vorteil der bühnennahen Position ist jeweils auch, dass in diesem Bereich das Publikum in Partylaune ist und die Band entsprechend feiert. Dem entgegen ist in den hinteren Reihen oftmals eine stoische Verhaltenheit anzutreffen und wenn man dann da ähnlich mitfeiert wie in den vorderen Rängen, man schon ziemlich zur Ausnahme gehört und sich bisweilen fast genötigt fühlt sich bei den umstehenden, statuenartigen Wesen zu entschuldigen, insbesondere wenn man sie tritt oder Ihnen den Ellenbogen ins Gedärm rammt.

Da wir doch zeitig vor Ort waren und rund eine Stunde auf den Auftritt der Band wartend an dieser Stelle verbrachten, war genügend Gelegenheit, das musikalische Equipment auf der Bühne zu bestaunen. OK, ein Keyboard, diverse Gitarren oder ähnliche Seiteninstrumente und ein Bass waren da als klassisches Instrumentarium vorhanden. Auch ein Schlagzeug stand wie gewohnt, zentral im hinteren Bereich, wobei ich da den Begriff klassisch vermeiden möchte, zumal doch einige An- und Aufbauten an eine Reststoffverwertung erinnerten. Links vom Schlagzeug waren ebenfalls diverse Gebilde, welche nicht zwingend mit einer Musikband zu adaptieren sind, wobei zu erahnen war, dass diese wohl auch grösstenteils als Schlaginstrumente zu dienen, verpflichtet, respektive rezykliert wurden.
Sehr auffallend war zudem die immense Anzahl an Mikrofonen, welche die Bühne zierten, dies in allen möglichen Arten und Formen, so ziemlich ein Tontechniker-Alptraum und ich war dadurch noch um einiges gespannter wie sich das letztendlich anhören würde.
In Zwischenzeit hat sich auch der Saal sehr gut gefüllt, wobei wohl nicht der letzte Platz besetzt war und so auch in den vorderen Reihen eine angenehme Komfortzone zur Verfügung stand.

Kurz nach acht, betraten dann die sechs, gemäss meinen Erinnerungen doch ziemlich gealterten Herren, unter frenetischem Applaus des Publikums, die Bühne. Der Applaus lies selbst mich erschaudern und ich malte mir aus, wie das für die Künstler sein musste unter einem solchen Klangteppich die Bühne zu betreten, gewaltig!
Schon mit den ersten Tönen hatte mich die Band abgeholt und ich versank in Faszination und Ehrfurcht, wie die Herren den Alltagsgegenständen, ausgedienten Gerätschaften oder Teilen davon, Töne entlockten, diese mit den klassischen Instrumenten zu einem mehr oder weniger harmonischen Gesamtbild formend, die Grundlage, für den minimalistisch, lyrischen, oftmals mit spitzer Zunge, zum Nachdenken, mehrdeutigen und doch letztendlich eindeutig getexteten Gesang von Blixa Bargeld, bildend.
Nach jedem Lied war die Crew gefordert, jeweils weitere Gerätschaften auf der Bühne aufzubauen, welche dann grösstenteils von N. U. Unruh und Rudi Moser zu klanglichen Kunstwerken bearbeitet wurden. Es ist immer wieder erstaunlich welch wunderbaren Klänge da zu Tage gefördert werden und zeugt von der grossen Experimentierfreudigkeit der Band, denn ansonsten wären wohl vielen Gegenständen das musikalische Dasein verwehrt. Schon vor Beginn ist mir mittig rechts auf der Bühne ein Schaufelradsegment, wohl einer ausgedienten Dampfturbine entliehen, aufgefallen. Meine Neugier auf die klanglichen Eigenschaften dieses Teils waren doch ziemlich ausgeprägt und ich war bei Inbetriebnahme derselben sehr überrascht über deren klanglichen Möglichkeiten. Ehrlich gesagt, da fragt man sich schon fast, wozu den Synthesizer erschaffen wurden… Adaptiert an den ursprünglichen Einsatzzweck wurde das Segment in Drehung versetzt, und mit einem Jazzbesen (Schlagzeugbesen) dermassen präzise und feinfühlig, jeweils genau im richtigen Moment betupft, so dass beinahe jedes klassische Instrument daneben erblasste. Ich bin nur schon mit der Vorstellung überfordert, dieses Teil dermassen genau zu stimmen, geschweige denn, dies selber vorzunehmen, obschon ich durchaus, durch meine beruflichen, als auch musikalischen Erfahrungen, nicht allzu schlechte Voraussetzungen hierfür mitbringen würde. Ähnlich ist es mir auch beim Einkaufswagen ergangen, die Gittersegmente haben einen Umfang von wohl über einer Oktave, wobei jedes in sich einen anderen Ton darstellte, der um keine hörbare Nuance vom jeweils gewünschten Ton abwich. Das nenn ich Kunst in Perfektion! Ach ja und dann war da noch die Bassfeder, welcher Teil drei des Musterhaus-Projekts gewidmet war. Da denke ich dass diese Teil mittlerweile in N. U. Unruhs Anatomie aufgegangen ist, dermassen präzise wie diese von Ihm bespielt wurde, da kann ich nur den Hut ziehen.
Ohnehin die gesamte klangliche Abmischung war auf einem dermassen hohen Niveau, in einer unvorstellbaren Präzision, dass es für mich schon fast an höhere Magie grenzt, dies in diesem Masse live vorzutragen.
Das Publikum verdankte dies nach jedem Song mit einer kaum enden wollenden, lautstarken Ovation und führte damit nach der ersten Verneigung der Band, zu einem zweimaligen Wiedererscheinen und ich bin wohl nicht alleine, wenn ich anmerke dass ich dieser wunderbaren Darbietung noch mehrere Stunden hätte beiwohnen können, ohne mich zu langweilen oder auch nur den geringsten Anflug von Überdruss zu erleiden.
Auf jeden Fall haben es die Neubauten auf meine see again Liste, fett unterstrichen und mit Leuchtmarker überpinselt, geschafft.

Fazit:
Ich bin ab der Darbietung total überwältigt und zumindest in diesem Jahr war das wohl das beste Konzert, das ich besucht habe und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Vielen Dank an die Einstürzenden Neubauten und ich hoffe sehr dass, trotz Erreichen des Pensionsalters und Schwerarbeit auf der Bühne, noch der eine oder andere Leckerbissen folgt und ich Euch hoffentlich nochmals die Ehre durch einen Konzertbesuch erweisen kann.
Ich ziehe vor jedem einzelnen von Euch, inklusive der Crew und insbesondere  dem Tontechniker, den Hut!

DANKE!

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