Gestern habe ich mich wieder mal aus der Komfortzone der elektronisch arrangierten Kunstdarbietungen herausgewagt um mein Gehör einer unter meinen Freunden eher etwas kontrovers diskutierten Band zu leihen.
Nun zugegeben, Einstürzende Neubauten ist nun nicht eine
Band, die ich so als Berieselung im Hintergrund des musikalischen Alltags
ertrage. Im Gegenteil, die Musik der Band ist für mich fordernd, dazu muss ich
mich doch hinsetzen und vor allem in die Musik hineinversetzen, dafür ist es
aber jeweils auch wieder ein Erlebnis und es triggert Punkte in meinem Gehirn und
meiner Seele, an welche geglättete Musik nicht annähernd hinkommt.
Nun muss ich aber doch auch zugeben, dass ich die Band über sehr lange Zeit ad acta
gelegt habe und so eigentlich auch nicht mehr auf dem Radar hatte.
Dies änderte sich aber im Februar dieses Jahres, als mir Facebook sei Dank, die
gestrige Veranstaltung vorgeschlagen wurde.
Vor Jahrzehnten schon war eigentlich der Entschluss gefasst, die Neubauten
einmal live zu erleben, was leider bisher nicht erfolgte. Doch diesmal sollte
das anders sein, umgehend habe ich mir ein Ticket gesichert, um mir die Show nicht
entgehen zu lassen.
Auch habe ich mich in der Zeit bis zum Konzert auch wieder etwas vermehrt der
Band gewidmet und insbesondere auch mal in das zwischenzeitlich verpasste
reingehört, wobei mir da nicht alles gefallen mochte und doch war auf den
meisten Veröffentlichungen die ein oder andere Perle drauf und so war ich doch
sehr gespannt was mich da erwartet, zumal das Volkshaus meiner Meinung nach die
besten akustischen Voraussetzungen bietet. Die PA in diesem Gefilde
sucht meilenweit seinesgleichen und die Architektur trägt ebenfalls das ihre
bei, so das bisweilen jedes besuchte Konzert in diesen Räumlichkeiten ein
Ohrenschmaus sondergleichen war.
In Zwischenzeit habe ich durch Tom von die Stille auch eine sehr angenehme Reisebegleitung gefunden, so dass ich den Weg nach Zürich nicht alleine antreten musste und nebenbei konnten wir so unser Klimagewissen, wenn denn vorhanden, beruhigen.
In Zürich angekommen, nach kurzem Anstehen für den Einlass, in Mitten von etwas gealtertem Publikum, wobei ich da wohl zum guten Durchschnitt gehörte, haben wir uns knapp zehn Reihen vor der Bühne positioniert, was normalerweise für meinen Geschmack etwas weit vorne ist, da ich grossen Wert auf die Akustik lege und so eigentlich einen Platz unmittelbar vor dem Mischpult bevorzuge. Aber wie schon erwähnt ist die PA im Volkshaus derart gut eingemessen, dass man diesen akustischen Vorteil in dieser Räumlichkeit kaum wahrnimmt und man so ruhig etwas näher zur Bühne treten kann um dann auch optisch mehr mitzukriegen. Ein weiterer Vorteil der bühnennahen Position ist jeweils auch, dass in diesem Bereich das Publikum in Partylaune ist und die Band entsprechend feiert. Dem entgegen ist in den hinteren Reihen oftmals eine stoische Verhaltenheit anzutreffen und wenn man dann da ähnlich mitfeiert wie in den vorderen Rängen, man schon ziemlich zur Ausnahme gehört und sich bisweilen fast genötigt fühlt sich bei den umstehenden, statuenartigen Wesen zu entschuldigen, insbesondere wenn man sie tritt oder Ihnen den Ellenbogen ins Gedärm rammt.
Da wir doch zeitig vor Ort waren und rund eine Stunde auf
den Auftritt der Band wartend an dieser Stelle verbrachten, war genügend
Gelegenheit, das musikalische Equipment auf der Bühne zu bestaunen. OK, ein
Keyboard, diverse Gitarren oder ähnliche Seiteninstrumente und ein Bass waren
da als klassisches Instrumentarium vorhanden. Auch ein Schlagzeug stand wie
gewohnt, zentral im hinteren Bereich, wobei ich da den Begriff klassisch vermeiden
möchte, zumal doch einige An- und Aufbauten an eine Reststoffverwertung
erinnerten. Links vom Schlagzeug waren ebenfalls diverse Gebilde, welche nicht
zwingend mit einer Musikband zu adaptieren sind, wobei zu erahnen war, dass
diese wohl auch grösstenteils als Schlaginstrumente zu dienen, verpflichtet,
respektive rezykliert wurden.
Sehr auffallend war zudem die immense Anzahl an Mikrofonen, welche die Bühne
zierten, dies in allen möglichen Arten und Formen, so ziemlich ein Tontechniker-Alptraum
und ich war dadurch noch um einiges gespannter wie sich das letztendlich
anhören würde.
In Zwischenzeit hat sich auch der Saal sehr gut gefüllt, wobei wohl nicht der
letzte Platz besetzt war und so auch in den vorderen Reihen eine angenehme Komfortzone
zur Verfügung stand.
Kurz nach acht, betraten dann die sechs, gemäss meinen
Erinnerungen doch ziemlich gealterten Herren, unter frenetischem Applaus des
Publikums, die Bühne. Der Applaus lies selbst mich erschaudern und ich malte
mir aus, wie das für die Künstler sein musste unter einem solchen Klangteppich
die Bühne zu betreten, gewaltig!
Schon mit den ersten Tönen hatte mich die Band abgeholt und ich versank in
Faszination und Ehrfurcht, wie die Herren den Alltagsgegenständen, ausgedienten
Gerätschaften oder Teilen davon, Töne entlockten, diese mit den klassischen Instrumenten
zu einem mehr oder weniger harmonischen Gesamtbild formend, die Grundlage, für
den minimalistisch, lyrischen, oftmals mit spitzer Zunge, zum Nachdenken, mehrdeutigen
und doch letztendlich eindeutig getexteten Gesang von Blixa Bargeld, bildend.
Nach jedem Lied war die Crew gefordert, jeweils weitere Gerätschaften auf der
Bühne aufzubauen, welche dann grösstenteils von N. U. Unruh und Rudi Moser zu
klanglichen Kunstwerken bearbeitet wurden. Es ist immer wieder erstaunlich
welch wunderbaren Klänge da zu Tage gefördert werden und zeugt von der grossen
Experimentierfreudigkeit der Band, denn ansonsten wären wohl vielen
Gegenständen das musikalische Dasein verwehrt.
Schon vor Beginn ist mir mittig rechts auf der Bühne ein Schaufelradsegment,
wohl einer ausgedienten Dampfturbine entliehen, aufgefallen. Meine Neugier auf
die klanglichen Eigenschaften dieses Teils waren doch ziemlich ausgeprägt und
ich war bei Inbetriebnahme derselben sehr überrascht über deren
klanglichen Möglichkeiten. Ehrlich gesagt, da fragt man sich schon fast, wozu
den Synthesizer erschaffen wurden…
Adaptiert an den ursprünglichen Einsatzzweck wurde das Segment in Drehung
versetzt, und mit einem Jazzbesen (Schlagzeugbesen) dermassen präzise und
feinfühlig, jeweils genau im richtigen Moment betupft, so dass beinahe jedes klassische
Instrument daneben erblasste. Ich bin nur schon mit der Vorstellung überfordert,
dieses Teil dermassen genau zu stimmen, geschweige denn, dies selber
vorzunehmen, obschon ich durchaus, durch meine beruflichen, als auch
musikalischen Erfahrungen, nicht allzu schlechte Voraussetzungen hierfür
mitbringen würde. Ähnlich ist es mir auch beim Einkaufswagen ergangen, die
Gittersegmente haben einen Umfang von wohl über einer Oktave, wobei jedes in
sich einen anderen Ton darstellte, der um keine hörbare Nuance vom jeweils
gewünschten Ton abwich. Das nenn ich Kunst in Perfektion! Ach ja und dann war
da noch die Bassfeder, welcher Teil drei des Musterhaus-Projekts gewidmet war.
Da denke ich dass diese Teil mittlerweile in N. U. Unruhs Anatomie aufgegangen
ist, dermassen präzise wie diese von Ihm bespielt wurde, da kann ich nur den
Hut ziehen.
Ohnehin die gesamte klangliche Abmischung war auf einem dermassen hohen Niveau,
in einer unvorstellbaren Präzision, dass es für mich schon fast an höhere Magie
grenzt, dies in diesem Masse live vorzutragen.
Das Publikum verdankte dies nach jedem Song mit einer kaum enden wollenden,
lautstarken Ovation und führte damit nach der ersten Verneigung der Band, zu
einem zweimaligen Wiedererscheinen und ich bin wohl nicht alleine, wenn ich
anmerke dass ich dieser wunderbaren Darbietung noch mehrere Stunden hätte
beiwohnen können, ohne mich zu langweilen oder auch nur den geringsten Anflug
von Überdruss zu erleiden.
Auf jeden Fall haben es die Neubauten auf meine see again Liste, fett
unterstrichen und mit Leuchtmarker überpinselt, geschafft.
Fazit:
Ich bin ab der Darbietung total überwältigt und zumindest in diesem Jahr war
das wohl das beste Konzert, das ich besucht habe und das wird wohl auch noch
eine Weile so bleiben.
Vielen Dank an die Einstürzenden Neubauten und ich hoffe sehr dass, trotz Erreichen
des Pensionsalters und Schwerarbeit auf der Bühne, noch der eine oder andere
Leckerbissen folgt und ich Euch hoffentlich nochmals die Ehre durch einen
Konzertbesuch erweisen kann.
Ich ziehe vor jedem einzelnen von Euch, inklusive der Crew und insbesondere dem Tontechniker, den Hut!
DANKE!